SüdOst: Im Lacrima-Zentrum werden Tränen getrocknet
Das Lacrima-Team hat eine Telefonzelle gebastelt. Die darf jeder nutzen, der Ungesagtes loswerden will.
Ursula Gubo leitet das „Lacrima - Zentrum für trauernde Kinder“.
Der Eingang ins „Lacrima-Zentrum“ am Euckenweg in Langwasser.
Kontaktdaten zum „Lacrima-Zentrum“ am Euckenweg in Langwasser.
Nicht immer sind es Wohnungen, die gesucht und von der wbg vermietet werden. Am Euckenweg 13 in Langwasser hat das „Lacrima-Zentrum für trauernde Kinder“ eine neue Bleibe gefunden. Vor nunmehr einem Jahr war der Einzug.
Ursula Gubo leitet das Lacrima, dessen Träger der Regionalverband Mittelfranken der Johanniter-Unfall-Hilfe ist. Als sie während der Suche nach geeigneten Räumen eines Tages in denen am Euckenweg stand, wusste sie sofort: Das ist es, das passt, der Standort mit Parkplätzen und der U-Bahn in unmittelbarer Nähe ist optimal! „Ich wusste genau, wie es einmal aussehen würde“, sagt Ursula Gubo und erinnert sich noch gut an den vorherigen Zustand der ehemaligen griechischen Gastwirtschaft. Ein Architekt übernahm ihre planerischen Ideen und setzte sie um. Nun ist alles genau so, wie Ursula Gubo es sich vorgestellt hatte. Auch Dank der enormen Unterstützung durch die wbg-Mitarbeiter, die den Umbauprozess koordiniert und begleitet haben, betont die Lacrima-Leiterin.
„Lacrima“ bedeutet übersetzt „Träne“, und viele davon sind am Euckenweg bereits geflossen und getrocknet worden. Denn hierher kommen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die trauern. Sie haben jemanden verloren, der ihnen lieb war und dessen Verlust schmerzt. Bei Ursula Gubo und ihrem Team finden sie eine geschützte und vertrauensvolle Umgebung, in der sie Gefühle zulassen und verarbeiten können. Mittlerweile haben sich vier Kindergruppen gebildet, dazu zwei Jugendgruppen und eine Gruppe mit jungen Erwachsenen. Aktuell werden rund 80 Hilfesuchende betreut. Dabei ist der Anteil der Jugendlichen am geringsten. „Jugendliche wollen alles mit sich allein ausmachen“, erklärt Gubo. Vor allem die Jungen würden meinen, stark sein und Gefühle unterdrücken zu müssen.
Deswegen ist auch eines der Ziele im Lacrima, die Kommunikation zu fördern. „Tod und Sterben sind Themen, über die nicht gerne gesprochen wird und die man aus dem Leben verbannt hat, obwohl sie dazu gehören“, sagt die Sozialpädagogin, die sich zur Trauerbegleitern hat ausbilden lassen. Sie weiß aus eigener Betroffenheit, wie es sich anfühlt, wenn plötzlich eine geliebte Person stirbt und man handlungsunfähig und wie gelähmt ist.
Deswegen weiß sie auch, dass es in einer solchen Situation erst einmal keinen Trost gibt. Denn die Dimension von Schmerz sei nicht zu erfassen. Sie ist so individuell wie die Betroffenen selbst. „Man kann in einer solchen Situation nichts tun, weil man die Situation nicht ändern kann. Man kann nur zuhören und das Unfassbare mit aushalten“, sagt Ursula Gubo und rät dazu, einem Trauernden keine guten Ratschläge zu geben. „Die Zeit heilt alle Wunden“ sei zum Beispiel ein solch’ beliebter Mutmacher. Doch selbst der sei keine Hilfe und würde sich mitunter auch gar nicht bewahrheiten.
Das Lacrima-Team schafft stattdessen Gelegenheiten, um Trauer auszudrücken und Gefühle zu verarbeiten. Denn eines sei Ursula Gubo zufolge klar: „Was du nicht verarbeitest, holt dich irgendwann ein. Die Seele sucht sich ein Ventil, manchmal erst nach Jahren des Verdrängens.“ Deshalb bräuchten trauernde Kinder einen Ort wie das Lacrima, wo sie Trauer zeigen und leben können. Man will dort begleiten, betreuen und unterstützen, damit Mädchen und Jungen ihren persönlichen Trauerweg finden und gehen können. Eine Therapie ersetzt das Angebot hingegen nicht. Eine solche sei aber auch gar nicht immer zwingend notwendig, so Ursula Gubo. „Trauer ist keine Krankheit.“
Ganz wichtig sei für Kinder bei der Verarbeitung des Verlustes das Toben. „Die Wut und Energie muss raus. Das funktioniert gut über Bewegung.“ Aber auch das Malen, Basteln, Erinnern und Reden seien wichtige Angebote. Vor kurzem ist im Lacrima-Zentrum deswegen eine Telefonzelle eingezogen. „Weil es vielleicht etwas gibt, was man dem Verstorbenen noch sagen möchte. Dann kann man sich dorthin zurückziehen.“ Die Kinder würden auch miteinander sprechen. So hat Ursula Gubo jüngst gehört, wie zwei Kinder darüber diskutiert hätten, ob nun der Tod durch einen plötzlichen Herzinfarkt besser sei oder der durch Krebs. Jedes der Kinder hatte seinen Vater verloren. Das eine durch Krebs, das andere durch einen Herzinfarkt.
Wie lange die Betroffenen ins Lacrima-Zentrum kommen, ist unterschiedlich. Durchschnittlich sind es zwischen zwei und drei Jahre. Dabei bestimmen die Kinder selbst, ab wann sie auf die Hilfe verzichten wollen. „Meist ist es so, dass der Verlust zwar noch präsent, aber nicht mehr allbestimmend ist und andere Dinge wieder wichtiger werden.“ Dann seien die Kinder an einem Punkt angekommen, an dem sie aus der Trauer auch Kraft und Mut für das weitere Leben schöpfen können.
KONTAKT:
Lacrima- Zentrum für trauernde Kinder
Johanniter-Unfall-Hilfe
Regionalverband Mittelfranken
Euckenweg 13, 90471 Nürnberg
Telefon 0911 - 394406-20
E-Mail:
www.johanniter.de/mittelfranken/lacrima