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Ein 1000-Punkte-Programm für die Feuerwehr-Zukunft

Sie bergen, löschen, schützen: die Aktiven der Freiwilligen Feuerwehren. Sie tun das ehrenamtlich und während ihrer Freizeit. Und manchmal riskieren sie sogar ihr eigenes Leben, um das eines anderen Menschen zu retten. Damit sie ihre Aufgaben professionell erfüllen können, brauchen sie die dafür nötige Ausrüstung, Einsatzfahrzeuge und - unverzichtbar - funktionierende Feuerwehrgerätehäuser (FWGH). Die aber sind an den insgesamt 18 Nürnberger Feuerwehr-Standorten in die Jahre gekommen. Einige sind baulich marode, andere entsprechen nicht mehr den neuen Anforderungen, die Technik ist überaltert, es ist zu eng. Deswegen investiert nun die Stadt Nürnberg und wird alle Standorte modernisieren. Damit beauftragt hat sie die WBG KOMMUNAL GmbH.

Dort wiederum liegt die Umsetzung dieser Aufgabe seit 2017 in den Händen von vier Frauen. Die Architektin Sabine Stahl leitet das Team, zu dem Özlem Denktasli, Brita Finger und Cathleen-Mary Murphy gehören. Neubauten haben sie bislang für die Feuerwehrgerätehäuser in Buch, Eibach und der Gartenstadt geplant. Die Standorte in Kornburg, Moorenbrunn und Worzeldorf werden umgebaut, bzw. erweitert. Für diese ersten sechs Projekte sind rund 20 Millionen Euro veranschlagt worden. Anschließend folgen die noch übrigen 12 Gerätehäuser. In den kommenden Jahren will das Planungs-Quartett sich die nächsten sechs Standorte vornehmen und konkretisieren. Ursprünglich war angedacht, sämtliche Neubauten, Sanierungen und Erweiterungen bis 2025 abzuschließen. Stahl hält das Jahr 2027 mittlerweile für realistischer. "Sobald die Prozesse tatsächlich angelaufen sind, ergeben sich immer wieder Unwegsamkeiten, die vorher nicht absehbar gewesen sind und zu zeitlichen Verzögerungen führen. So war es auch diesmal."

Der Weg von den ersten Entwürfen bis hin zum Spatenstich war lang. Maßgeblich daran beteiligt waren unter anderem die Fachleute der Berufsfeuerwehr Nürnberg, allen voran deren Chef Volker Skrok. Sie haben in mühsamer Detailarbeit ein 1 000-Punkte-Programm erarbeitet, das ein "ideales Feuerwehrgerätehaus" skizziert. Anhand dieses Katalogs ist daraufhin jeder einzelne Standort bewertet worden. Gleichzeitig wurde festgelegt, wo dringend Neubauten angestrebt und welche Bestandsgebäude möglichst schnell saniert werden. Dabei sind die Mannschaften der betroffenen Wehren stets mit einbezogen worden. "Wir haben uns den Bestand zusätzlich vor Ort angesehen und uns erklären lassen, was verbessert werden sollte", sagt Stahl. Zwar werde man kaum je das komplette 1 000-Punkte-Programm zu hundert Prozent realisieren können, aber eine möglichst große Annäherung werde angestrebt.

In den Fällen, in denen man sich für eine Sanierung entschieden hat, folgt zwangsläufig die nächste entscheidende Frage, nämlich: In welcher Tiefe soll saniert werden? "Wie viel macht man in welchem Umfang und was zuerst, so dass es wirtschaftlich bleibt? Das ist ein schwieriges Abwägen", erklärt Stahl und weist darauf hin, dass auch nur während des laufenden Betriebs saniert werden könne und deswegen entsprechend viele Feinabstimmungen notwendig seien. Für die Planer ist das eine zusätzliche Herausforderung.

Das 1 000-Punkte-Programm diente zudem als Grundlage für den Neubau-Plan eines "idealtypischen Musterhauses". "Das Ziel war, ein Typenhaus zu entwerfen und nicht jedes einzelne neu zu erfinden", erklärt Stahl. So seien die geplanten Neubauten nun in ihrer Funktion und ihrem Grundriss so gut wie gleich. Der wohl einzige Unterschied ist die variierende Größe der Fläche. Schließlich gelte der Grundsatz: Je größer die Mannschaft, desto mehr Fläche wird benötigt.

Eine der Hauptaufgaben bei der Neu- und Überplanung der Gerätehäuser war der "kreuzungsfreie Verkehr". Bedeutet: Die mit ihren Privatautos anfahrenden aktiven Feuerwehrler dürfen nicht den schon möglicherweise ausfahrenden Einsatzfahrzeugen in die Quere kommen. Deshalb wird auf diese Thematik ein besonderes Augenmerk gelegt.

Im Erdgeschoss des Gerätehauses befindet sich beispielsweise der Erste-Hilfe-Raum. Je nach Standort sind in der Fahrzeughalle bis zu vier Stellplätze für die Einsatzfahrzeuge vorgesehen. Damit die Wehren für mögliche Herausforderungen in der Zukunft gerüstet sind, wurde bereits jetzt eine mögliche Erweiterung um je einen Stellplatz berücksichtigt.

Weil mittlerweile immer mehr Frauen den ehrenamtlichen FFW-Dienst für sich entdecken, werden die Entwürfe auch dieser Entwicklung gerecht. Geplant ist nämlich durchweg, die Umkleide- und Sanitärbereiche nach Geschlechtern zu trennen. Gleichzeitig wird es mehr Fläche für die Unterbringung der Schutzausrüstung geben. Kleidungs- und Stiefelwaschanlagen mit Trocknungen sollen zum Standard gehören. Genauso wie ein Alarmpoint. Wo möglich, werden aus ökologischen Gründen extensive Gründächer errichtet.

Als ein großes Manko, das nahezu jeder der 18 Standorte aufweist, ist die Tatsache, dass sich die Aktiven für ihren Einsatz direkt in der Fahrzeughalle umziehen müssen. Dort haben sie nur wenig Platz und sind den Abgasen der Fahrzeuge ausgesetzt. "Dieser Umstand kann so auf gar keinen Fall bleiben", betont Stahl. Eine räumliche Trennung sei unverzichtbar. Technik- und Schulungsräume, eine kleine Küche, ein Kommandantenbüro, Lehrmittellager und Netzersatzanlagen für eine Notstromversorgung werden ebenfalls eingeplant.

Bei all dem wird auch darauf geachtet, dass den Ansprüchen behinderter Menschen entsprochen wird. So gehören ein Aufzug und eine behindertengerechte Toilette zur Grundausstattung. Schließlich sind die im Speckgürtel Nürnbergs gelegenen Feuerwehrgerätehäuser ein zentraler Treffpunkt für die dort lebenden Bürger. Die Feuerwehren pflegen ein abwechslungsreiches Vereinsleben mit Festen und anderen Veranstaltungen. "Daran sollen auch ältere Menschen oder Behinderte teilnehmen können. Und das haben wir entsprechend berücksichtigt", so Stahl, die gemeinsam mit ihrem Team genauso darauf achtet, dass sich die Neu- und Umbauten optisch gut in den mitunter dörflichen Charakter der Umgebung einfügen. Gleichzeitig sollen die Fassaden massiv sein, damit sie bei Bedarf von den Aktiven zu Übungszwecken wie anleitern, abseilen oder klettern genutzt werden können.

Am 13. Januar dieses Jahres war in Buch mit der Erneuerung des ersten der insgesamt 18 Standorte begonnen worden. In Worzeldorf ging es im April los. Im Mai starteten zudem der Neubau in Eibach und die Um- und Ausbauten in Moorenbrunn. In der Gartenstadt war es dann im Juni soweit und in Kornburg wird seit August gearbeitet.

Bürgermeister Christian Vogel, zu dessen Sachgebiet die Feuerwehren gehören, freut sich über den zügigen Bau-Start. "Damit setzen wir ein deutliches Zeichen für die Sicherheit unserer Bürger und für unsere Nürnberger Feuerwehren", sagt er. Denn diese müssten erhalten und für die Jugend wieder attraktiv gemacht werden. Schließlich würden die Ehrenamtlichen "eine wichtige und ausgezeichnete Arbeit" leisten. "Und dafür brauchen sie eine leistungsstarke Ausstattung."

Die Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der WBG KOMMUNAL hat sich in der Vergangenheit immer wieder bewährt, zum Beispiel beim Bau von Schulen, Kindergärten oder Sporthallen. Und auch diesmal läuft die Kooperation reibungslos. Demnach plant und baut die WBG KOMMUNAL im Auftrag und im Namen der Stadt. Bewirtschaftet, betrieben und langfristig unterhalten werden die Feuerwehrgerätehäuser aber später ausschließlich von der Kommune. "Indem wir in enger Abstimmung mit dem Bedarfsträger stehen, in diesem Fall der Feuerwehr, sind sehr viel mehr Prozesse notwendig, als wenn man als Bauherr komplett unabhängig entscheiden kann", sagt Stahl und lobt die enge und gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in der städtischen Verwaltung.

Und auch Ralf Schekira, Geschäftsführer der wbg Unternehmensgruppe, begrüßt die erneute Zusammenarbeit. "Den Auftrag für die Erneuerung der Feuerwehrgerätehäuser haben wir gerne angenommen. Damit erweitern wir das Tätigkeitsspektrum und stellen uns noch breiter auf", sagt er und garantiert, dass alle wieder ihr Bestes geben werde," um den Ansprüchen der Stadt Nürnberg bezüglich der Termine und der Kosten zu genügen". Außerdem wies Schekira auf die enorme Bedeutung der Freiwilligen Feuerwehren hin. "Als größter Hausbesitzer in Nürnberg wissen wir, was wir an unseren Feuerwehren haben." Das unterstreicht auch Architektin Stahl, die den Einsatz der Ehrenamtlichen als unverzichtbar bewertet. „Die Aktiven leisten enorm viel. Das kann man gar nicht oft genug anerkennen.“

Sie sind bei der WBG KOMMUNAL für die Umsetzung der Neubauten und Sanierungen der Feuerwehrgerätehäuser zuständig: Sabine Stahl (links, Abteilungsleiterin ÖÖP-Management) und Projektleiterin Özlem Denktasli.