Der Teufel in Nürnberg oder die Geschichte vom Schusserbou und seinem Brunnen
Direkt neben dem Portal der Lorenzkirche ist seit 1888 ein kleiner, fast unscheinbarer Brunnen. Friedrich Wanderer hat ihn entworfen. An der Kippröhre holen die Marktbeschicker auch heute noch das Wasser für ihre Blumen.
Wer genau hinsieht, der erkennt an der Säule des Brunnens das Wappen der Stadt Nürnberg, den Rost des Heiligen Laurentius, einen Drachen mit Flügeln und den Teufel höchstpersönlich. Sein Flügel ist in Flugposition, und in seiner linken Klaue packt der Gehörnte mit dem Pferdefuß einen Buben am Schlafittchen. Dem fallen vor Schreck Buch, Schiefertafel und Schwämmchen runter. Entsetzt versucht er sich loszumachen vom starken Teufel, doch es gelingt ihm nicht. Sein Schicksal ist besiegelt. Der Höllenfürst nimmt ihn mit.
Wie konnte das geschehen?
Nördlich der Lorenzkirche stand bis 1914 eine alte Lateinschule. Die Buben lernten dort unter anderem zu singen, um die Gottesdienste in der Kirche mitzugestalten. In den Pausen und nach der Schule haben sich die Kinder die Zeit mit Schussern vertrieben. Unser Teufels-Opfer war einer von ihnen. Er war besonders stur und wollte immer gewinnen. Dazu hat er auch fleißig geschummelt. Ging mal etwas nicht nach seinem Kopf, war er auch schnell mit Schimpfen und Fluchen dabei.
Er war so begeistert vom Schussern und eifrig dabei, dass er nach der Schule noch nicht einmal seine Schulsachen ablegte, sondern sofort anfing zu spielen. Weil er aber immer schummelte, um auch wirklich zu gewinnen, konnte es nicht ausbleiben, dass er eines Tages von einem Klassenkameraden erwischt wurde. Natürlich hat der Lausbub alles geleugnet und beteuert, dass er nicht geschummelt hätte. „Doch, du hast geschummelt. Ich hab’s genau gesehen“, sagte der aufmerksame Beobachter. „Nein, das stimmt nicht. Und wenn ich gelogen hab, dann soll mich doch gleich der Teufel holen!“
Tja. Es wurde still und dann ging plötzlich ein Brausen durch die Luft, bei dem die Jungen die Köpfe einzogen. Allein, es nutzte nichts. Der Teufel kam, nahm den frechen Jungen am Kragen und flog mit ihm davon. Die letzte Spur von ihm hängt auf dem Dach der Lorenzkirche: Auf dem Chordach ist ein Blechknauf an der Blitzableiterstange, der den Nürnbergern zufolge eben aussieht wie ein Lausbuben-Käpple.
Die Moral von der Geschichte: besser ehrlich bleiben.
Das Lausbuben-Käpple brachte übrigens 1981 die Nürnbergerinnen und Nürnberger noch mal zum Schmunzeln. Harald Schönbude, damals gut drei Jahre alt, merkte beim Spaziergang mit seiner Mutter, dass auf dem Kirchendach etwas fehlte. Das Käpple war weg und niemand konnte sagen, wo es war. Erst eine Suchmeldung über die Presse brachte Klarheit und das Käpple wieder zurück: Bei einem Sturm hatte eine Böe das Käpple runtergerissen und auf den Boden geschleudert, wo es in Einzelstücke zerbrach. Am Morgen nach dem Sturm kamen die städtischen Arbeiter und machten den Platz wieder sauber und schön. Die Einzelteile brachten sie in den Wertstoffhof. Dort hat man sie dann schließlich abgeholt, und der Flaschnermeister Kunstmann hat das Käpple repariert. Seither ziert es wieder das Dach.
Schusser? Schusser meint Murmel. Früher wurden die Kugeln für die Schießübungen aus Lehm hergestellt. Nach den Übungen hat man sie noch als Murmeln verwendet. Daher Schusser.
Text: Erika Wirth
Quellen: u.a.: Diefenbacher, Michael und Endres, Rudolf (Hrsg.): Stadtlexikon, 2000