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Der Schütze auf der Wiese

Dort, wo man an der Pegnitz Richtung Fürth zu Fuß die Altstadt verlässt, begegnen einem rasch viele eher jüngere Menschen: sie sitzen auf Treppenstufen, Stühlen oder mitgebrachten Picknickdecken, die sie auf die Grünfläche werfen. Kinder und Hunde freuen sich dort ebenfalls über das gefahrenfreie Toben im Grünen. Wir sind auf der Hallerwiese.

Die Hallerwiese ist die älteste öffentliche Grünanlage in Nürnberg und hat sich in den letzten Jahrhunderten gar nicht so sehr verändert. Die drei Linden-Reihen gab es schon zur Zeit Albrecht-Dürers. 127 Lindenbäume waren damals angepflanzt worden. Ursprünglich war hier Überschwemmungsgebiet, mit dem nicht viel anzufangen war. Deshalb verkauften1379 die Holzschuher die Wiese an die Haller. Die legten weite Teile davon trocken und verkauften sie trotzdem 1434 an die Stadt. Aber da hatte die Wiese ihren Namen nach den letzten Eigentümern schon weg: Hallerwiese eben.

Was macht jetzt die Stadt mit einem Gelände, das eigentlich unbrauchbar ist? Selbstverständlich wird darauf wieder gefeiert! Die Wiese soll für alle zum Erholen und Feiern da sein. 1439 stellte die Stadt 21 Festzelte für ein riesiges Schützenfest auf. Es gab Zelte für Speisen, für Getränke, eine Glücksbude, ein Spielzelt und die Zelte für die Schützen. 300 Jahre lang war dann regelmäßig ein Schützenfest auf dem Festplatz. Außerdem gab es dort Festessen, Bälle und Feuerwerke z. B. 1650 anlässlich des Friedensfestes in Nürnberg.

Gründe zum Feiern sollte man immer wieder finden. Aber auch nur für den Sonntagsspaziergang oder um eine Partie Karten zu spielen kam man hierher. Auch diente die Hallerwiese – ähnlich wie heute zum Beispiel der Bewegungsparcours im Pegnitztal West – als Outdoor-Fitnessstudio. Fechten, Ringen, Speerwerfen und mehr konnte „Mann“ hier.

Weniger erbaulich: hier war auch der Richtplatz, wenn es darum ging, z. B. Kindsmörderinnen hinzurichten oder Männer, die sich der Bigamie schuldig gemacht hatten. Der Nachrichter steckte die Verurteilten mit seinem Gehilfen in Säcke, warf sie in die Pegnitz und drückte sie mit Stangen solange unter Wasser bis sie tot waren. Das hat oft lange gedauert, weil die Pegnitz relativ flach ist. Im Winter war sie oft zugefroren, was die Arbeit des Henkers nicht erleichterte. All das führte dazu, dass die Stadt 1580 schließlich diese Tötungsart einstellte.

Wer hat sie schon gesehen, die große Linde, die vielleicht schon 400 Jahre alt ist. Auffällig ist ihr fünf Meter dicker Stamm, durch den man hindurchsehen kann. Ein Naturdenkmal ist der Baum heute.

Im 19. Jahrhundert gings der Wiese an den Kragen. Bäume wurden gefällt, Brunnen entfernt. Doch schon 1904 änderte sich das wieder und in Erinnerung an die Armbrustschützen und ihre Schützenfeste wurde die Figur des Schnepperschützen von Leonhard Herzog aufgestellt.

Die Schnepperschützen gab es in Nürnberg mindestens schon seit 1506. Schnepper meint in Nürnberg sowohl das Armbrustschießen mit Bolzen als auch das mit Kugeln. Die Schnepper war eine leichte Armbrust, geeignet für den Anfang. Die Schnepper-schützen waren quasi die Jugendorganisation der Schützen. Denn natürlich musste auch das Schießen mit den Armbrüsten geübt werden um die Stadt im Bedarfsfall verteidigen zu können.

Die Herren, die es schon gut konnten, übten z. B. am Herrenschießhaus (das ist bei der Mensa. Dort, wo sich der „Blauer Reiter“ befindet) auf 120 Schritt Entfernung. Im Schießgraben bei St. Lorenz wurde auf 70 – 80 Schritt geschossen und im Burggraben auf 34 Schritt. Das sind etwa 27 Meter. Und auf diese kurze Distanz übten die Schnepperschützen.

Die Bronzefigur in der Mitte der Wiese erinnert auch an diese Tradition. Der Schütze kniet, hält die Armbrust nach oben und wird gleich schießen. Angezogen ist der Schütze mit der Jägertracht des 16. Jahrhunderts. Schon fesch, oder?

Heute ist es auch so, dass man sich dem früheren Aussehen der Wiese wieder annähern will. Der Platz wurde wieder größer gemacht, Bäume wurden gepflanzt. Die Anmutung einer Allee ist wieder wahrnehmbar.

Für die Opernfans unter Ihnen: Passen Sie mal genau auf, wenn Sie wieder mal die „Meistersinger von Nürnberg“ ansehen: oft ist der Schauplatz des Finales der Hallerwiese nachempfunden. So wollte es die Regieanweisung Wagners.

Also, gehen Sie ruhig mal wieder mit Picknickdecke, Picknickkorb und Familie auf die Hallerwiese und grüßen Sie dann auch den Schnepperschützen. Halten Sie dabei den erforderlichen Abstand ein und bedenken Sie, dass Corona noch nicht überwunden ist. Viel Vergnügen!

Text: Erika Wirth

Quellen:
www.nuernberginfos.de/brunnen-nuernberg/armbrust­schuetzenbrunnen.html
Geschichte für Alle e. V.: St. Johannis, Geschichte eines Stadtteils, S. 55 ff., Nürnberg 2000 Tschoeke Jutta (Hrsg): Lust und Lieb hat mich beweget – Nürnberger Gartenkultur, Ausstellungskatalog, S. 67 ff., Nürnberg 2008

Fotos: Jörg Dorn