Hier bin ich daheim – Häuserschmuck am Dr.-Luppe-Platz
Flucht, Vertreibung und Neubeginn – Lebensumstände, die immer aktuell sind. Am Dr.-Luppe-Platz wird vor allem der Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg deutlich. Wegen der zahlreichen Gewerbebetriebe war die Südstadt starkes Ziel der Bombardierungen im 2. Weltkrieg. Fast 60 % aller Wohneinheiten der wbg in Gibitzenhof wurden zerstört. Nach dem Krieg gab es nur wenig Baumaterial und auch nicht viele Arbeiter. Es dauerte, bis die Wohnungen wieder errichtet waren. Dennoch schaffte man es, die Siedlung bis 1954 aufzubauen, um den wieder Menschen ein Zuhause geben zu können.
Zur Erinnerung an die Zerstörung und aus Freude über den geschaffenen Wohnraum wurden hier unterschiedliche Hausverzierungen angebracht: Auf der Südseite des Platzes sind ganz oben an den Häusern 1, 3 und 5 Sgraffiti zu entdecken. Sie zeigen zunächst die Verzweiflung durch den Krieg. Eine Frau, die in den Armen eines Mannes zusammenbricht und einen weiteren Mann, der sich die Hand vor den nach hinten fallenden Kopf hält. In der Mitte ist ein Sgraffito, das bereits geprägt ist vom Mut und der Tatkraft des Wiederaufbaus: zwei aufrechte Männer mit Plänen und Backsteinen. Schließlich der Neubeginn auf der dritten Darstellung: eine Familie, die mit ihrem Gepäck in großen Schritten dem neuen Zuhause entgegengeht.
Das Relief von Josef Wackerle von 1951 über dem Hauseingang am Dr.-Luppe-Platz 8 widmet sich den geflüchteten Menschen, die auch in Nürnberg eine neue Heimat fanden. Auf der Muschelkalkplatte ist gut zu erkennen, wie ein Mann einen schweren Sack trägt, sein Rücken ist gebeugt. Vor ihm läuft eine Frau mit Kopf- und Schultertuch und einem kleinen Kind auf den Armen. Ganz vorne hält ein Bub erschrocken seine Hände am Kopf. Woher die Familie kommt oder wohin sie geht, das sieht man nicht.
Das Relief über der Haustür am Dr.-Luppe-Platz 6 zeigt uns auch hier wieder die Zuversicht, den Mut, den Neubeginn: Ein Mann schiebt mit hochgekrempelten Ärmeln eine Schubkarre, eine Frau trägt ein Bündel auf dem Kopf. Zwei Mädchen mit Zöpfen gehen vorneweg. Eines davon hält einen Blumenstrauß. Alle laufen sie zu einem Häuserblock hin, der im Hintergrund zu sehen ist. Sie alle gehen einem neuen Abschnitt in ihrem Leben entgegen. Einer Zukunft, die mit Arbeit aber auch mit Freude verbunden ist.
Nicht immer hieß der Dr.-Luppe-Platz so. 1928 taufte man ihn nach Fertigstellung „Mainzer Platz“. 1952 wurde er nach dem Wiederaufbau dem früheren Oberbürger-meister Dr. Hermann Luppe gewidmet. Der Jurist aus Kiel wurde 1920 Oberbürger-meister in Nürnberg. Er setzte sich ein für Kultur, Wohlfahrt und besonders den Wohnungsbau, der nach dem ersten Weltkrieg dringend erforderlich war. In seiner Amtszeit entstanden die wbg-Wohnanlagen Nordostbahnhof, Nordbahnhof, in St. Johannis und Gibitzenhof und die meisten Künstlerateliers.
Im März 1933 wurde Luppe auf Druck der neuen Machthaber verhaftet, und erst als er seinen Rücktritt verkündete, wurde er freigelassen, musste aber die Stadt verlassen. 1945 kam er bei einem der letzten Bombenangriffe auf Kiel ums Leben. An der Durchfahrt zur Leibnizstraße erinnert die Stadt Nürnberg mit einer Gedenktafel an einen der größten Oberbürgermeister der Weimarer Republik.
Übrigens: es gab sogar mal eine Gastwirtschaft am Dr.-Luppe-Platz: den Mainzer Hof. Das Wirtshaus war für viele Personen ein zweites Zuhause geworden. Eng war es in den Wohnungen. Dankbar war man, wenn man noch Raum hatte, um sich zu treffen, miteinander zu essen, zu trinken und zu reden. Vielleicht erinnert sich noch der eine oder die andere daran. Heute ist dort der SIGENA-Nachbarschaftstreff Gibitzenhof. Wenn Sie also Ihre Runde gedreht und sich alle Hausverzierungen am und um den Dr.-Luppe-Platz angesehen haben, dann schauen Sie doch mal, ob an der Speyerer Straße 2 die SIGENA-Fahne weht. Dann ist nämlich Bettina Jurkat, die SIGENA-Koordinatorin, da und lädt Sie auf eine Tasse Kaffee oder Tee ein.
Text: Erika Wirth
Quellen: u.a.: Diefenbacher, Michael und Endres, Rudolf: Stadtlexikon Nürnberg, Nürnberg 2000
Geschichte für Alle e. V.: Gibitzenhof. Werderau. Sandreuth. Nürnberg 2010