Seit 650 Jahren "am Puls der Zeit"
Mitten im Herzen Nürnbergs, zentral gelegen am Gewerbemuseumsplatz 4, öffnen sich Welten. Und das seit 650 Jahren. So lange gibt es die Stadtbibliothek, ein Zentrum der Bildung und des Wissens. Offiziell gegründet am 30. Dezember 1370, befindet sie sich seither in kommunaler Trägerschaft und bietet allen Bürgern einen öffentlichen Zugang zu Informationen. Das wird nun mit einem vielfältigen Programm gefeiert.
Die Gestaltung dieses Programms hat das gesamte Team der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg vor eine große Herausforderung gestellt. Denn als bereits erste konkrete Ideen dazu vor der Umsetzung standen, kam die Corona-Pandemie und mit ihr erst der Lockdown, gefolgt von wechselnden Auflagen. Große Veranstaltungen mit vielen Menschen hätte es geben sollen. Doch das alles musste gekippt, der Festakt bis auf Weiteres verschoben werden. "Es waren erschwerte Bedingungen, und vieles ist Corona zum Opfer gefallen", sagt Rita Kamm-Schuberth, die fürs Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtung verantwortlich ist. Jetzt werde "auf Sicht gefahren", so dass jederzeit flexibel auf die aktuellen Entwicklungen reagiert werden könne. Auch bei der Programm-Planung hat das Team der Stadtbibliothek kreativ und innovativ reagiert und einige Veranstaltungen in den digitalen Raum verlegt.
Wie zum Beispiel das Erleben von Franz Kafkas Klassiker "Die Verwandlung" mittels Virtual Reality. Kafkas eindringlicher Text inszeniert sich hier als subjektiver Erlebnisraum mit "Escape-Room-Flair". Der Besucher erwacht dank der VR-Technologie als riesenhaftes Insekt in einem originalgetreu rekonstruierten Zimmer und tritt voll und ganz ins Geschehen hinein. Ein weiteres Angebot wird über Youtube abrufbar sein. Und zwar inszeniert der Autor, Regisseur und Dramaturg Michael Sommer hier anlässlich des Jubiläums fränkische Literatur-Klassiker mit Playmobil-Figuren. So werden wesentliche Aspekte der Handlung konzentriert, verplaymobilisiert und laut Programm "mit klaren Bildern und einem Augenzwinkern neu durchdacht".
Eine besondere Aktion wird das Open-Air mit Street-Art vom Feinsten sein, das für den 14. März 2021 in und vor der Villa Leon geplant ist. Im Zusammenhang damit steht die Neugestaltung einer Fläche am Bücherbus, für die zuvor ein Kunstwettbewerb ausgeschrieben wird. Die Umsetzung am Bus soll im Rahmen des Open-Air-Spektakels stattfinden, das zugleich den Abschluss der Feierlichkeiten zum 650-jährigen Jubiläum der Stadtbibliothek bildet.
Doch trotz Corona soll die Einrichtung auch in ihrem 650. Jahr unbedingt als Ort der Begegnung und des Austauschs wahrgenommen werden können. Deswegen finden sich im Programm zahlreiche analoge Angebote, die unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln umgesetzt werden sollen. Wichtig zu wissen: Die jeweils aktuell geltenden Vorgaben zur Umsetzung von Veranstaltungen sind unter www.stadtbibliothek-nuernberg.de abrufbar. Da das Platzkontingent bei einigen Events begrenzt ist, wird teilweise eine Reservierung empfohlen.
Immer donnerstags werden im Lesesaal die "Herzstücke" präsentiert. In 30-minütigen Kurzvorträgen vermitteln Fachleute dann viel Wissenswertes über kostbare Bücher und kuriose Stücke, die sonst nur im Verborgenen der Stadtbibliothek aufbewahrt werden. Mit Nürnbergs klugen, mutigen und eigenwilligen Frauen beschäftigt sich eine eigene Vortragsreihe. Außerdem gibt es ein Spezial zu den "Nürnberger Mittagslesungen". Und am Samstag, 9. Januar 2021, heißt es "Großes Geld oder Trödelware?" Wolfgang Pauritsch, bekannt aus der Sendung "Bares für Rares", wird an diesem Tag in der Stadtbibliothek Dachbodenfunde und Kurioses begutachten. Die Medienwerkstatt Franken hat anlässlich des Jubiläums eine Dokumentation über die Bibliothek gedreht und der Verein "Geschichte für Alle" bietet mehrfach eine interessante Führung zum Thema "Nürnberg als Bücherstadt" an.
Für Kinder und Jugendliche gibt es gesonderte Angebote. Sie sind unter anderem dazu aufgerufen, der Stadtbibliothek eine Glückwunschkarte zu basteln, zu malen oder zu schreiben. Außerdem wird es einen Workshop geben, in dem ein Jubiläums-Song geschrieben und produziert werden soll.
Die große Ausstellung zum Jubiläum wird vom 27. November bis zum 27. Februar gezeigt und präsentiert "Bücher mit Geschichte" aus dem Bestand der Stadtbibliothek. In dem verbergen sich nämlich literarische Superlative, darunter das weltweit einzige mit vollständigem Bilderzyklus versehene Exemplar des ersten in Italien entstandenen illustrierten Drucks aus dem Jahr 1467.
Nachdem der Termin für den offiziellen Festakt zum Jubiläum bereits drei Mal hatte verschoben werden müssen, soll es nun voraussichtlich am 26. November im Katharinensaal soweit sein. Mit weniger Gästen als ursprünglich geplant und unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln.
Kamm-Schuberth hofft nun, dass sämtliche Veranstaltungen stattfinden können. Schließlich habe das Team der Stadtbibliothek das Programm "mit Herzblut, Emotionen und Überzeugung" zusammen gestellt. Mit dem Thema der Digitalisierung hat man sich in der Einrichtung aber nicht erst seit Corona auseinander gesetzt. So wird seit langem daran gearbeitet, den Bücherbestand zu digitalisieren. "Wir wollen der Welt auf diesem Weg einen leichten Zugang ermöglichen. Es gibt schließlich Werke, die nur im Lesesaal und nur unter Aufsicht angeschaut werden dürfen", so Kamm-Schuberth, die betont, wie wichtig es gerade für eine Bibliothek sei, "am Puls der Zeit" zu sein und zu bleiben. "Weil sich die Gesellschaft stetig ändert, müssen wir uns auch verändern. Und das eigentlich immer schon im voraus." Ähnlich wie in der Modeindustrie müssten Trends voraus gesehen und frühzeitig genau die Bücher angeschafft werden, die von den Kunden in einem halben Jahr nachgefragt werden. "Ihr Publikum" haben die Mitarbeiter der Stadtbibliothek dabei stets im Blick. Regelmäßig hinterfragen sie, wie es sich entwickelt und wie es sich halten lässt. Momentan zählt die Einrichtung rund eine Million Besucher. Ein Großteil davon nutzt die Bibliothek als "urbanen Aufenthaltsort". Besonders beliebt ist die Musiklounge, die schon früh morgens gut belegt ist.
Die Stadtbibliothek ist aber nicht die einzige pulsierende Wissenseinrichtung mit Jubiläum in Nürnberg. Das nächste steht schon bevor. Im Jahr 2021 feiert das Bildungszentrum sein Hundertjähriges. Und auch dazu soll es wieder ein abwechslungsreiches Programm geben.
Das ganze Programm zum Jubiläumsjahr ist abrufbar unter: https://www.nuernberg.de/internet/stadtbibliothek/650_jahre_jubilaeum.html
Tipp:
Wer gerne ein Erinnerungs-Stück zum 650. Jubiläum der Stadtbibliothek hätte, kann sich eine Stofftasche mit dem farbenfrohen Logo zulegen. Die ist an den Rezeptionen der Stadtbibliothek Zentrum und denen der Stadtteilbibliotheken zu erwerben. Preis: 1,50 Euro.
Text und Fotos: Nina Daebel.
Logo und historische Aufnahmen: © Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg