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Der lange Ritt des Triton

Da reitet er ganz alleine. Der Triton, mit der Peitsche in der einen, den Zügeln in der anderen Hand. Im Sommer sorgt er für einen kräftigen Wasserstrahl in den Wöhrder See. Wenn man auf der Konrad-Adenauer-Brücke an ihm vorbeiradelt und der Wind gerade ungünstig weht, bekommt man einen nassen Gruß von ihm.

Eine lange und wechselvolle Geschichte steckt hinter Triton. Angefangen hat es damit, dass der Rat der Stadt Nürnberg endlich auch einmal einen modernen Brunnen haben wollte, ausladend wie sie in Italien schon lange aufgestellt wurden und nicht mehr in den Himmel emporragend wie der Schöne Brunnen. Zeitgemäß „barock“ also sollte der Brunnen werden.

Ein guter Anlass fand sich auch: 1648 wurde der Westfälische Frieden geschlossen, und dem wollte man in Nürnberg ebenfalls ein Zeichen setzen. Kaum dass der Bildhauer Georg Schweigger den Auftrag erhalten hatte, machte er sich mit dem Goldschmied Christoph Ritter ans Entwerfen. Gerade mal zehn Tage brauchten die beiden, um einen Brunnen rund um den Wassergott Neptun zu zeichnen. Danach ging nichts mehr schnell oder einfach. Das ausufernde Vorhaben war zu teuer. Die Pläne landeten in der Schublade. Aber sie rumorten in den Köpfen der Räte, und 1660 sollte der Brunnen doch entstehen. Ein Wachsmodell musste hergestellt werden. Alles sollte nach der Natur gefertigt werden, weshalb auch Frauen gegen Geld Modell standen. Schweigger hatte „nach und nach einen großen Anlauf unterschiedlicher Weibspersonen bekommen, Geld damit zu verdienen.“

Hieronymus Herold gießt die Glieder einzeln. Das dauert 9 Jahre. Immer wieder geht das Metall aus. 20 Zentner Geschütz werden eingeschmolzen. Weil es an Geld mangelt, wird die Aufstellung immer wieder verschoben. Es drohen Kriege, und die Räte geben kein Geld für die Kunst, sondern befürchten Sonderausgaben für die Verteidigung. Die Arbeiten werden abgebrochen, und es dauert bis 1688, bis der Brunnen fertig ist. Jetzt soll er seinen Platz beziehen und den Schönen Brunnen am Hauptmarkt ersetzen. Der Schöne Brunnen war zu dieser Zeit wohl mal wieder alles andere als schön.

In der Mitte des neuen Brunnens, erhaben auf einem Sockel, steht Neptun, der Chef der Meere und aller anderen Gewässer. Sein Kopf galt mit als das Schönste, was das 17. Jahrhundert hervorbrachte.

Das nächste Problem lauerte bereits, und zwar in Neptuns ureigenstem Element, dem Wasser. Die Wasserzuleitung für den Wassergott und seine Gesellschaft war nicht ausreichend, und es fehlte mal wieder an Geld, das zu beheben. Die Stadt sitzt auf dem Trockenen und Neptun auch: Neptun und sein Brunnen wandern in den wasserlosen Schuppen des Bauhofes.

Gäste besuchen ihn und zahlen Eintritt, um ihn zu sehen: Goethe, Ludwig XIV von Frankreich, Katharina II von Russland, der König von Neapel, ein polnischer Fürst, der König von Preußen. Alle interessierten sich für den Brunnen, aber keiner kaufte ihn oder noch keiner kriegt ihn?

Die Äußerungen der Besucher über den Brunnen sind unterschiedlich.

Ein Nürnberger dichtet:

Da steh ich schon ein Seculum
vor Menschen und vor Affen
in diesem Quasi Heiligtum
und lasse mich begaffen.
Mein Dreizack wird, poz Element!
Mistgabel oft, oft Spieß genennt!
Man lästert mich ins Angesicht
und jeder dumme Bauer spricht:
Warum hat er kein Wasser?

Kenner drücken sich anders aus. So wird er als „prächtigster Springbrunnen in ganz Teutschland“ bezeichnet.

1797 endlich erwirbt ihn Zar Paul I. und lässt ihn auf eigenen Kosten in Kisten packen. Neptun und Gefolge reist nach Lübeck und von dort per Schiff übers Wasser nach Russland. In der damaligen Hauptstadt Petersburg wird die Brunnenanlage leicht verändert im Schlosspark von Petershof aufgestellt. Und dort haben Neptun, Tritonenreiter, Seepferde und Fische endlich, was sie brauchen: Wasser, viel Wasser. 150 Jahre sprudelt es munter um sie herum. Bis 1941 der Brunnen Beute der deutschen Wehrmacht, zerlegt und abtransportiert nach Nürnberg wird.

In seiner alten Heimat, die ihn lange verschmähte und verkaufte, sollte er nach dem Endsieg eventuelle in den Dutzendteich vor die Kongresshalle. Vorerst aber wurden die Einzelteile im Paniersbunker eingelagert werden.

Nach dem Krieg fordert Russland den Brunnen zurück und natürlich gaben die Amerikaner der Forderung statt. Allerdings gab es kaum Material, um ihn zu verschicken. Die Nürnberger Nachrichten schrieben „Bretter, Nägel und anderes Verpackungsmaterial waren so knapp wie die Fettmarken“. Der Brunnen wurde gesäubert, fotografiert und katalogisiert. In zwölf riesigen Kisten verpackt, wurde er am 24. Oktober 1947 zum zweiten Mal nach St. Petersburg verschickt. Dort steht er noch heute und sprudelt. Vielleicht waren Sie sogar schon mal dort?

Wie aber kommt es, dass man den Brunnen in Nürnberg im Stadtpark und Triton am Wöhrder-Talübergang sieht, wo sie doch in Russland sind? Das haben wir dem 19. Jahrhundert zu verdanken als die alten Meister nach und nach wieder modern wurden und auch die Erinnerung an den Neptunbrunnen erwachte.

Der Maler Friedrich Wilhelm Wanderer regte an, eine Kopie des Brunnens in St. Petersburg anfertigen zu lassen. Unterstützt wurde er von Oberbürgermeister Georg von Schuh. 1886 wurden in Petersburg Gipsabgüsse angefertigt als Vorlagen für neue Gussformen. Die hat man dann erst mal in der Katharinenkirche der Öffentlichkeit gezeigt. Erst eine Stiftung von Ludwig Ritter von Gerngros und seiner Frau Emilie machte es möglich, dass von der Kopie auch ein Brunnen gemacht werden konnte aus Bronze und Stein. Sie stellten zur Bedingung, dass der Brunnen auf dem Hauptmarkt aufgestellt wird.

Am 22. Oktober 1902 war es schließlich soweit und die Kopie des Neptunbrunnen konnte dort aufgestellt werden, wo schon vor über 200 Jahren das Original stehen sollte: auf den Hauptmarkt. 32 Jahre später hieß der Platz „Adolf-Hitler-Platz“ und der Brunnen war räumlich und ideologisch im Weg: Gerngros war Jude gewesen. Zunächst entfernte man die Gedenkplatte für den Stifter und schließlich baute man den Brunnen ab. 1937 wurde er auf dem Marienplatz (Willy-Brandt-Platz) aufgebaut. Dort überstand er zumindest den Krieg. Weichen musste er dem wachsenden Verkehr: 1961 wurde auf seinem Platz der Omnibusbahnhof gebaut. Neptun konnte also auch dort nicht bleiben.

1962 zog er in den Stadtpark. Man sollte meinen, dass er dort nun in Frieden vor sich hinplätschern kann. Doch weit gefehlt! Immer wieder wird an seinem Thron gesägt und er soll weichen: an den Jakobsplatz, auf den Hauptmarkt, an den Obstmarkt. Bisher kam es nicht so weit und die Gäste im Stadtpark sind sehr froh darüber. Für die Bewohner der nahegelegenen Pflegeheime ist er ein beliebtes Ausflugsziel.

Neptun und seine ganze Mannschaft sind eine Pracht und laden zum Verweilen ein. Die ganze Mannschaft? Aber wieso ist einer von ihnen alleine am Wöhrder See? Von dem Tritonreiter gibt’s zwei Exemplare. Eines ist bei Neptun und das vom Wöhrder See war tatsächlich von 1914 bis 1967 im Volksbad. Wer weiß, vielleicht muss Triton noch mal umziehen. Gesattelt ist sein Pferd ja schon.

Text: Erika Wirth

Quellen:  u.a. M. Diefenbacher und R. Endres: Stadtlexikon Nürnberg, Nürnberg 2000
Maas: Nürnberg – Geschichte und Geschichten, Nürnberg 1999. S. 181 ff
Mulzer, Jahresheft der Altstadtfreunde „Neptuns Irrfahrten“

Fotos: Jörg Dorn