Das Ehekarussell – das bittersüß` ehelich Leben
Bestimmt standen auch Sie schon einmal hier auf dem Ludwigsplatz zwischen C&A und Wöhrl. Vielleicht haben Sie sich den Brunnen angesehen und den Kindern zugeschaut, wie sie darauf und darin spielen. Aber haben Sie in dem Moment auch schon mal darüber nachgedacht, wie es wohl ist, wenn man 22 Jahre verheiratet oder mit seinem Lebensmenschen zusammen ist?
Nein? Dann gehen Sie an der Brunnenanlage mal Richtung U-Bahn. Dort erwartet Sie zwischen Pelikan und Höllendrache eine große Säule aus Marmor, die über und über bewachsen ist mit Rosen. Rosen sind die Blumen der Liebe, und ihnen zu Füßen liegt passend ein Herz. Auf ihm können Sie lesen, wie das ist mit der langen Partnerschaft ist. Dass einem manchmal gerade das stört, wofür man den anderen mag, dass also nicht immer alles gut ist, aber immer überwiegt das Gute. Zumindest für Hans Sachs, der nach 22 Jahren Ehe das Gedicht „Das bittersüß' ehelich Leben“ verfasste und dabei sehr wohl anmerkte, was nervig und was hilfreich ist.
Dieses Gedicht war die poetische Grundlage für den Brunnen, den Jürgen Weber schuf. Auch Weber war verheiratet gewesen, aber die Ehe war für ihn eher schlecht als recht. Eine teure Scheidung folgte. Bestimmt gut, dass er den Auftrag der Stadt Nürnberg erhielt, den Lüftungsschacht der U-Bahn, die im Untergrund entlangfährt, zu kaschieren. Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie in der Mitte der Brunnenanlage den Schacht. Eher selten, dass etwas wie eine Lüftung solch eine imposante Verkleidung erhält.
Alles an der Brunnenanlage bezieht sich auf das Gedicht. Für Weber sind die schönen Rosen auch die Blumen, die man an Beerdigungen für große Gestecke verwendet. Und so hat auch die Rose ihre dunkle Seite. Leuchtende Seiten und Schattenseiten haben eine Beziehung. Alles wiederhole sich in einer Ehe. Hans Sachs spricht in seinem Gedicht von „oft“ und „häufig“. Die Wiederholungen treten vor einem auf wie die Wagen eines Karussells. Sechs Karussellwagen gruppierte Weber deswegen um den Schacht, in dem auch die Wasser-Fontaine installiert ist. Den sechs Wagen sind halbrunde Wasserbecken vorgelagert. Drei Wagen stehen für die positiven Seiten, drei für die weniger schönen Seiten. Auf die meisten Wagen lassen sich mehrere der Doppelverse aus dem Gedicht beziehen.
Schauen wir uns die Wagen mal etwas genauer an und fangen gleich beim Höllendrachen neben der Rosensäule an. Unschwer zu erkennen ist der Drache. Er trägt ein Paar, das dem Tod näher zu sein scheint als dem Leben. Die beiden gehen sich gegenseitig an den Hals. Die Inspiration für den Wagen kam aus Versen wie „Pein und Hell, Fegeteufel, Jammer, Angst und Schmerz, ist oft mein Gfengnis und Notstall, oft mein Graun, mein täglich Hebenstreit...“ Eheleute führen ihren Rosenkrieg bis ins Grab.
Hoffnung gibt uns der folgende Wagen: Schnäbelnde Schwäne sind die Unterlage eines Liebespaares. Die Federn sind wie leicht züngelnde Flammen der Liebe. Weber bezieht sich hier auf die Verse, die die Gegenstücke zu den Genannten bilden: Sie ist ein Himmel meiner Seel, sie ist mein Engel auserkorn, sie ist mein Mai und Rosenhag“.
Flammen der Liebe können umschlagen in Flammen des Hasses. Das sehen wir am dritten Wagen, einer Feuer-Gondel: Jeder ist des anderen Teufel, jeder ist des anderen Verdammnis. Oder wie Hans Sachs sagte: „Sie ist auch oft mein Pein und Hell“ „ist oft mein Fegeteufel woren“.
Und nun tritt der Meister selbst auf: auf einem Maiskolben tanzt und singt Hans Sachs über dem Geschehen. Danach gefällig anzusehen die Venusmuschel. Nackt und schön kommt steigt eine Frau wie Venus persönlich aus der Muschel. Rosen der Liebe im Haar. Daneben ein Mann mit Zylinder und dickem Bauch. Er preist wie in einer Schaubude seine Frau: „Sie ist mein Wunn und Augenweid“ „Mein Frau ist mein Zier und Lust“.
Ganz anders daneben beim Vielfraßwagen. Nicht nur dass die Frau zuerst den Kuchen ihres Mannes isst, und das sicherlich nicht zum ersten Mal. Nein, sie nimmt ihn auch noch finanziell aus und behängt sich mit Ketten und Uhr und braucht auch noch vergoldetes Besteck. Ganz klar, hier geht es ums Geld und vor allem darum, dass der Mann meint, sie braucht zu viel davon. „Thut mir auch oft das Mein verzehren.“
Das absolute Gegenteil stellt der letzte Wagen vor: eine liebevolle Mutter, die nur auf ihre Kinder fixiert ist. Was ihr Mann Lehrreiches zu berichten weiß, nimmt sie kaum wahr. Die Familie hat auf einem Pelikan Platz genommen, der für die Christenheit früher ein Sinnbild der Mutterliebe war. Welcher Vers auf die nährende Gattin und Mutter würde besser passen als „Mein Frau, die hilft mir treulich nähren.“ Damit der Bruch nicht allzu heftig ist, hat Weber zwischen der gefräßigen fetten Frau und der fürsorglichen opfernden Mutter noch einen Fruchtkranz gesetzt, der mit Äpfeln, Birnen, Trauben, Feigen, Mais und Mohn bestückt ist. Und in dem Kranz nisten sogar noch Vögel.
Hans Sachs selbst schien sich von den Widrigkeiten einer Ehe nicht unterkriegen zu lassen. Mit seiner Kunigunde, der er nach 22 Ehejahren all diese Zeilen widmete, lebte er 41 Jahre zusammen – bis zu ihrem Tod. Bereits ein Jahr später heiratete er die wesentlich jüngere Barbara Harrscher, hing wiederum ein Jahr später sein Handwerk an den Nagel und widmete sich nur noch seinem Privatleben, bis er 14 Jahre später starb.
Dass Ihnen aus Ihren (Ehe-)Beziehungen mehr Freud als Leid erwachs,
das wünsch ich Ihnen und sicherlich auch Hans Sachs!
Text: Erika Wirth
Quellen: u.a.: Weber Jürgen: Das Ehekarussell – Der Hans-Sachs-Brunnen in Nürnberg