Spezialwissen für Fachräume
Exoten am Bau: Fachraumplaner wie Sylvia Stephan richten Schulen ein
Auf jeder Baustelle arbeiten Spezialisten: Architekten, Betonbauer, Elektriker und viele andere. Manche Aufgaben erfordern jedoch Qualifikationen, die nur wenige Menschen in ganz Deutschland mitbringen. Die Fachraumplanerin Sylvia Stephan ist eine von ihnen. Für die Bertolt-Brecht-Schule hat sie die Chemie-, Biologie- und Physikräume, Kunstsäle und Werkstätten entworfen. Teil zwei unserer Serie über die Exoten am Bau.
Zur Schule ist die Architektin gekommen wie die Jungfrau zum Kind. „Können Sie den Fachraum Chemie mitmachen?“, fragte eine Gemeinde, die eigentlich Brandschutz bestellt hatte. Mal eben mitmachen… Doch so einfach ist das nicht: gesetzliche Vorgaben, der Stand der Technik und die räumlichen Gegebenheiten und nicht zuletzt die Lehrpläne müssen bedacht und eingehalten werden. Sylvia Stephan hat sich reingefuchst.
Inzwischen ist ihr Büro eines der wenigen, das Schulen in ganz Deutschland berät und plant. Beim Neubau der Bertolt-Brecht-Schule waren es 18 naturwissenschaftliche Lehrsäle mit den dazugehörigen Vorbereitungsräumen und Sammlungen, acht Zeichensäle und sechs Werkräume. „Das sind Räume, die man nicht 0-8-15 planen darf“, sagt Sylvia Stephan. Was es braucht? Zum Anfang Tische, Stühle und Schränke, die Anschlüsse für Strom, Wasser und vielleicht Gas. Dazu einen Lehrertisch, Wandtafeln und die Beleuchtung.
In Absprache mit den Bauherren trifft Sylvia Stephan unendlich viele Entscheidungen. Sollen die Tische mit Kunststoff beschichtet sein – oder lieber mit einer haltbareren keramischen Platte? Werden höhenverstellbare Stühle gekauft, so dass Fünftklässler ebenso darauf sitzen können wie die langen Jungs aus der 12.? („Bloß nicht mit Rollen – das ist kontraproduktiv!“) Soll es eine interaktive Tafel geben, die beschreibbare Fläche und Computerschirm vereint? „Gelegentlich werden noch normale Tafeln gewünscht, ich rate aber ab“, sagt die Fachplanerin. Die Kreide staubt, gewischt wird mit Schwamm – und schon ist Sylvia Stephan in Gedanken beim Waschbecken, das ja auch irgendwo angeschlossen werden muss.
Früher war vieles anders. Beispiel Chemie-Raum: Wasser, Strom und Gas waren vom Boden aus angebunden, die Tische konnten nicht verrückt werden. Seit etwa zehn Jahren kommen Strom und Gas von oben, für Wasser bevorzugt Sylvia Stephan weiter eine feste Spüle. Oder das Digestorium, diese Laborbox mit Abzug. Die war früher an der Wand oder in einer Nische installiert, die Lehrer hantierten mit dem Rücken zu den Schülern. Heutzutage kann das Digestorium verstellt werden, die Schüler haben freien Blick auf die Experimente und sehen dahinter ihren Lehrer.
Zwischen 80 000 und 100 000 Euro kostet die Ausstattung eines Fachraumes. „Inklusive Lehrmittel kommen wir schnell auf das Dreifache, rund 250 000 Euro“, sagt Sylvia Stephan. Die Bestückung mit Demonstrationsobjekten, Geräten und Werkzeug ist oft Teil ihrer Arbeit. „Ein Wahnsinnsfeld – da brauche ich die Zuarbeit der Schulen.“ Immerhin sollen die Lehrmittel den Anforderungen des Lehrplans und den Wünschen der Lehrer entsprechen, für die nächsten 20 bis 30 Jahre sollen sie den Wissensdurst etlicher Schülergenerationen stillen. Kann man denn soweit vorausdenken? „Ich orientiere mich an den aktuellen Lehrplänen und schaue mich auf dem Markt um, denn die Hersteller sind auf dem Laufenden“, erzählt die Planerin. Und Megathemen wie die Digitalisierung begleiten sie ohnehin seit Jahren.
Theorie ist jedoch nicht alles. Zu Sylvia Stephans Berufsauffassung gehört, dass sie Hand anlegt. Immer wieder. Wie fühlt sich ein Stuhl an? Steht der Tisch stabil und ist die Schiene daran, an der ein Stativ befestigt werden kann, wirklich praktisch? Welche Schubladen braucht ein Nähtisch? „Weil ich nähen kann, weiß ich, wie das funktionieren muss“, sagt sie. Aber auch schon an der Kreissäge hat sie gestanden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob die für Schüler taugt.
Deren Meinung ist selten gefragt in der Planung. Dass es beim Bau und der Einrichtung einer neuen Schule auch immer wieder Probleme, Kämpfe und Diskussionen gibt, verschweigt Sylvia Stephan nicht. Sie hält die Auseinandersetzung für unverzichtbar. „Leicht kann jeder. Ich frage mich immer, wie kriegen wir das gelöst – und freue mich über ein gutes Ergebnis.“