Na, sauber! Alles aufgeräumt
Exoten am Bau:
Baustellenlogistiker organisieren alles, von der Material-Anlieferung und bis zur Entsorgung des Mülls
„Wir sind die ultimative Schnittstelle“, sagt Susanne Baumann selbstbewusst. Denn Baustellen-Logistiker wie sie sind in jeder Phase eines Baus beteiligt und haben mit jedem auf der Baustelle zu tun. Trotzdem arbeiten die Logistiker am besten – wenn keiner sie bemerkt. Zum Beispiel am Neubau der neuen Bertolt-Brecht-Schule.
Das Mammut-Projekt nahe der Messe umfasst vier Schulen – Gymnasium, Real-, Mittel- und Abendschule – und sieben Turnhallen, die Gebäude sind gegeneinander versetzt und mindestens drei Stockwerke hoch. Drinnen Klassenzimmer, Fachräume mit Laboren, Kunst- und Werkräume, die Schulküche und vieles andere mehr.
Gebaut wird das neue Schulzentrum von der WBG KOMMUNAL GmbH, einem Tochterunternehmen der wbg Nürnberg, zusammen mit der renommierten Ed. Züblin AG. Als Generalübernehmerin hat Züblin über hundert Verträge mit Fachfirmen geschlossen, aktuell sind zahlreiche Ausbaugewerke auf der Baustelle beschäftigt und viele Dutzend Arbeiter täglich im Einsatz. Den Weg zu ihrer jeweiligen Arbeitsstelle weisen ihnen eine Taschenlandkarte und gelbe Haltestellen-Schilder, die an den Treppen und in den Gängen aufgestellt sind.
Übersicht ist eines der großen Themen, das die Baustellen-Logistik lösen muss: Welche Materialien müssen wann an welcher Stelle sein, damit Bauarbeiter und Handwerker zügig vorankommen? Deshalb werden Experten wie Susanne Baumann, die Bauingenieurwesen studiert und sich dann bei Züblin auf Logistik spezialisiert hat, schon bei der Arbeitsvorbereitung herangezogen. Wo müssen beispielsweise die Baustellen-Aufzüge angebracht werden? Wo sind die Zufahrten für die Liefer-Lkws und wo wird die Entsorgungsstation für den Müll platziert?
Es sind ja nicht allein tausende Kubikmeter Beton, die gegossen werden mussten, zu bedenken. Sondern auch die Fenster, die vorgefertigten Treppen und die Fußbodenbeläge, Gipskarton für die abgehängten Decken und kilometerweise Kabel oder die Fliesen für die Toiletten, schließlich auch Lampen, Stühle und die elektronischen Tafeln, und, und, und. „Die Unterstützung durch die Baustellenlogistik ist ein ganz entscheidender Punkt“, sagt Projektleiter Michael Weinmann. Züblin gibt eine siebenstellige Summe dafür aus und hat mit der Umsetzung ein Fachunternehmen, die ProSite GmbH aus Dorsten, beauftragt.
Wenn also beispielsweise der Trockenbauer nächste Woche im Gebäude D, dem östlichsten der vier Schulquader, auf der Nordseite zur Karl-Schönleben-Straße hin im Flur 2 beginnen will, bestellt er die nötigen Gipskartonplatten und die Alu-Schienen bei seinem Lieferanten. Den fixen Liefertermin meldet er via Computer an.
Die Fachleute von der Logistik kontrollieren, ob nichts mit anderen Gewerken kollidiert, und senden erst dann ihre Bestätigung. Die genehmigte Lieferung kommt per Lkw und wird an der vorgesehenen Ladezone entladen, von dort bringen Mitarbeiter die Paletten mit den Gipskarton-Platten an Ort und Stelle – das nächstgelegene Haltestellenschild. Aber Vorsicht! Eine Europalette voll Gipskarton wiegt leicht 1,2 Tonnen, der empfindliche Estrich darf aber nur mit maximal 500 Kilo belastet werden. Also muss umgepackt werden. Es gibt so vieles zu beachten. „Das Schulzentrum ist eine Lean-Baustelle, das heißt, die Materialien kommen just in time und müssen in 14 Tagen verbaut sein“, sagt Thorsten Tißen, Senior Bauleiter des Logistikers.
Dass Reste wie Holz, Metall, Folie, Pappe und Bauschutt von der Baustelle kommen, ist ebenfalls Aufgabe der Logistiker. Auf jeder Ebene gibt es deshalb Entsorgungsstationen. Doch nicht immer werden sie ordnungsgemäß befüllt, nicht immer bleiben die rot markierten Fluchtwege frei. „Wir nehmen auch die Sheriff-Funktion wahr“, sagt Tißen. Ein bis zwei Mal pro Tag laufen er und seine Kollegen über die Baustelle und sorgen für Ordnung. Sie können sogar saftige Strafen verhängen. Für Behinderung anderer Gewerke, für Beschädigungen – „Der Klassiker: mit dem Hubwagen an die Wand gestoßen“ – oder das unerlaubte Weitergeben von Ausweisen an einen Kollegen etwa werden 250 Euro fällig, die verbotene Benutzung von frisch montierten Toiletten wird gar mit 500 Euro geahndet. Schließlich stehen in Laufweite überall Baustellenklos bereit.
Die Herausforderung und das Los der Baustellenlogistiker ist, sich kurzfristig auf Änderungen einzustellen. Denn die Rahmenbedingungen ändern sich ständig: Wo beispielsweise schon die Maler die Wände geweißelt haben, darf es nicht mehr stauben. Anderswo darf die Fassade nicht geschlossen werden, so lange noch große Teile zugeliefert werden müssen. Oder die Liefer-Lkws müssen umgeleitet werden, weil an einer anderen Stelle schon die Grünflächen angelegt werden.
Excel-Tabellen und Kennzahlen helfen zwar bei der Steuerung, unerlässlich sind Feingefühl und Hintergrundwissen über die Abläufe beim Bau. Und manchmal gibt es auch komplett Neues: Corona zum Beispiel. Seit vergangenem Jahr lässt Züblin durch Mitarbeiter des Logistikers, die auch den Zugang zur Baustelle kontrollieren und den Sicherheitsdienst stellen, als Vorsichtsmaßnahme bei allen Arbeitern und Besuchern die Temperatur messen. Inzwischen funktioniert das vollautomatisch mit einer speziellen Thermografiekamera.
Die Baulogistiker können so viel. Trotzdem bezeichnet Projektleiter Michael Weinmann ihre Kunst als „das Gewerk der Bescheidenen“. Er ist „froh, dass wir diesen Weg eingeschlagen und die Baulogistik beauftragt haben“. Denn die Poliere sollen sich um ihre Aufgabe, das Bauen, kümmern. Und so ein aufgeräumter Eindruck, wie ihn das werdende Schulzentrum macht, ist keineswegs selbstverständlich.
Text: Gabriele Koenig