Zum Hauptinhalt springen

„Mission Artenschutz“
Tiergarten Nürnberg - ein moderner Wissenschaftsstandort

Tiergartendirektor Dag Encke

Foto: Sebastian Scholze

Wissenschaftler haben im Tiergarten Nürnberg erforschen können, dass Große Tümmler elektrische Felder wahrnehmen können. Eine Erkenntnis, die möglicherweise in der Fischerei verwendet werden könnte, um Delfine von Fangnetzen fernzuhalten.

Foto: Tim Hüttner

Regelmäßiges Training macht es den Ärzten des Tiergartens möglich, von den Eisbären Fellproben zu nehmen. Anhand dieser Proben kann man den Wert des Stresshormons Corticosteron messen und herausfinden, ob die Tiere gestresst sind.

Foto: Tiergarten Nürnberg

Wo heute Hauswasserbüffel als Platzhalter Wasserfreuden genießen, werden demnächst Schabrackentapire und Bantengs, eine hochbedrohte Rinderart aus Asien, baden.

Foto: Tom Burger

Bald werden die in Südostasien beheimateten und besonders bedrohten Schabrackentapire in der neuangelegten „Mittelspange“ des Tiergartens einziehen. Aktuell sind in dem Gehege noch Hauswasserbüffel als Platzhalter untergebracht.

Foto: Tom Burger

Sie sind riesig. Oder winzig. Gefährlich, putzig, prächtig oder kurios. Faszinierend aber sind sie alle, unsere Tiergarten-Bewohner. Durch sie erhalten wir Einblicke in die Herkunftsländer und reisen so in wenigen Stunden nahezu um die ganze Welt. Werden wir müde, gönnen wir uns eine Picknick-Pause – traumhaft! Der Nürnberger Tiergarten macht es möglich. Wer diese Institution jedoch allein mit „Tiere angucken“ verbindet, hat Entscheidendes verpasst...

Mehr als 1,1 Millionen Menschen sind 2022 durch den viertgrößten Freizeitpark Deutschlands gestreift. 287 Tierarten leben dort. Viele von ihnen sind vom Aussterben bedroht, werden für die Auswilderung vermehrt und dienen – wie etwa die Delfine – der Forschung, um ihren Artgenossen das Überleben in der Natur zu erleichtern. 

„Der Tiergarten Nürnberg ist heute ein Naturschutzzentrum und, gemeinsam mit anderen Zoos, ein relevanter Partner im weltweiten Artenschutz“, beschreibt Direktor Dag Encke das Engagement innerhalb und außerhalb der Zoo-Grenzen und die weltumspannende Zusammenarbeit der Fachleute. „Im Artenschutz kann man tatsächlich von einer Welt mit einem Ziel reden! Doch ist Naturschutz ohne Bildung und ohne Forschung nicht möglich.“ Zusammenhänge und Entwicklungen erkennen, Forschungsprojekte koordinieren, nachhaltige Handlungsstrategien entwickeln, und das über alle Grenzen hinweg – eine enorme Aufgabe! Wie geht das?

Der Tiergarten ist beispielsweise an 40 Erhaltungszuchtprogrammen des europäischen Zooverbandes EAZA beteiligt. Deren Ziel: Außerhalb des natürlichen Lebensraums soll ein gesunder, vielfältiger Bestand einer Art bewahrt und vermehrt werden, um die Tiere dann wieder in der Natur anzusiedeln. „Die Hirscheber koordinieren wir für ganz Europa von hier aus“, so Encke. „Eine Auswilderung hat jedoch generell nur Sinn, wenn der entsprechende Lebensraum, etwa nach einer Entwaldung oder übermäßiger Bejagung, wieder gute Überlebensbedingungen für die Tiere bietet.“

2022 konnte der Tiergarten Ziesel in Tschechien, Alpensteinböcke in Österreich, Sumpfschildkröten in Hessen sowie Waldrappe in Spanien auswildern. Genaue Kriterien für die Auswilderung erarbeitet die Weltnaturschutzunion IUCN, die auch die Programme der Zoos mit den Wildtierpopulationen vernetzt. Zudem erstellt die Union die „Rote Liste“, eine Sammlung der weltweit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten.

Mitglieder der IUCN sind neben dem Welt- sowie dem europäischen Zooverband zunehmend Einzelzoos in Deutschland; auch der Tiergarten Nürnberg wurde kürzlich aufgenommen. „Wichtig ist, dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Projekten außen vor bleibt.“ Stunden könnte man Dag Encke zuhören, so packend erzählt er vom gemeinsamen Bemühen der über die Welt verteilten Experten, ihr Wissen zu bündeln und das möglichst Beste für bedrohte Tiere zu erreichen.

Natürlich kosten Artenschutz und Forschung eine Menge Geld. Auch zu Hause. Der Bau eines Hormon­labors im Keller des Naturkundehauses zum Beispiel. Nur wenige Zoos verfügen über ein derartiges Labor, das zur Datenerhebung und Auswertung von insbesondere Sexual- und Stresshormonen dient. Ermöglicht haben es die „Tiergartenfreunde Nürnberg“, eine der großen Institutionen für bürgerschaftliches Engagement der Stadt.

„Der Verein ist ein Stützpfeiler, ohne den die Arbeit des Tiergartens in seiner heutigen Form gar nicht möglich wäre“, sagt der zweite Vereinsvorsitzende, Lorenzo von Fersen, dankbar. Der Kurator für Artenschutz und Forschung ist zudem Initiator der dem Tiergarten angegliederten Artenschutzgesellschaft „Yaqu Pacha“. Sie widmet sich bedrohten Kleinwalarten in Küstengebieten. 

Ohne den Verein der Tiergartenfreunde wäre auch der Umbau der „Mittelspange“ des Tiergartens nicht möglich: 400 000 Euro fließen pro Jahr in die Neugestaltung der Gehege, in die künftig vorwiegend bedrohte Arten aus Südostasien einziehen werden.

Weshalb kommen gerade diese Tiere nach Nürnberg, mag sich der ein oder andere fragen. „Weil sich bestimmte Zoos vom Klima, über ihre Gehege-Struktur bis hin zu den bereits vorhandenen Arten für bestimmte Schutz-Projekte besonders eignen“, erläutert Dag Encke die zooübergreifend getroffene Entscheidung. Prinz-Alfred-Hirsche, Mishmi-Takine, Blauschafe und Visayas Pustelschweine sind schon da. 

Die Expertise der Tiergarten-Mitarbeiter ist weltweit geschätzt – das Engagement in Forschung und Artenschutz enorm vielfältig. „Oft weiß man nicht mehr, wo einem der Kopf steht“, gibt Dag Encke lächelnd zu. „Wir fühlen uns hier häufig wie ein Brennglas, das die weltweiten Veränderungen zeigen kann.“

Wer möchte, findet zum Thema Artenschutz und Forschung bereits Angebote. Ziel ist jedoch, alle Tiergartenbesucher verstärkt über die Projekte zu informieren. „Ein erster Aufschlag ist durch die QR-Codes für Artenschutzprogramme erfolgt – wir überlegen uns, wie wir das Angebot erweitern.“ Einfach, meint der Direktor, wird das nicht. „Schließlich will ja niemand während seines Zoobesuchs ein ganzes Buch lesen.“    

Infos Verein:
Infos zum Verein der Tiergartenfreunde unter: https://www.tgfn.de/

Text: Anabel Schaffer

Glücklich am Schmausenbuck und Teil eines selbsterhaltenden Zuchtprogramms in europäischen Zoos, die Pustelschweine. Ihre Population in der Natur schrumpfte um mehr als 80 Prozent.

Foto: Tom Burger

Putzig, diese Ziesel! Tiere aus einem der 40 Erhaltungszuchtprogramme, an denen der Tiergarten beteiligt ist, konnten 2022 in Tschechien wieder in die Natur entlassen werden.

Foto: Tom Burger

In Österreich konnten 2022 Alpensteinböcke aus dem Tiergarten Nürnberg wieder in ihren natürlichen Lebensraum ausgewildert werden: Ergebnis eines Erhaltungszuchtprogramms.

Foto: Tom Burger

Foto: Jörg Beckmann