Gelassenheit in aufregenden Zeiten
Seit dem 1. Oktober ist Ralf Schekira der Alleingeschäftsführer der wbg. Hinter ihm liegen 12 gemeinsame Jahre an der Doppelspitze mit Frank Thyroff und eine bewegte Zeit in der Immobilienbranche. Heute steht die Branche vor großen Herausforderungen. Im Interview spricht er über Ehrgeiz, Emotionen und Ehrlichkeit in Zeiten von Ungewissheit auf dem Wohnungsmarkt.
Jetzt wird es ernst, Herr Schekira. Seit dem 1. Oktober sind Sie Alleingeschäftsführer der wbg. Wie fühlt sich das an?
Es ist es ein starker Vertrauensbeweis der Stadt Nürnberg und des Aufsichtsrates. Vor allem in Anbetracht des umfangreichen Aufgabenfeldes, das ich nun "alleine" verantworte. In den vergangenen Jahren haben wir viel dafür getan, dass mir in Zukunft eine tatkräftige und breit aufgestellte Führungsriege den Rücken stärkt. Dennoch gehe ich mit größtem Respekt an diese Aufgabe heran.
Was wollen Sie als erstes ändern in der neuen Ära „Ralf Schekira”?
(lacht) Jetzt kremple ich den Laden einmal komplett um! Nein, das wäre der völlig falsche Ansatz. Frank Thyroff und ich haben in den vergangenen gemeinsamen 12 Jahren zahlreiche Ideen entwickelt, um das Unternehmen voranzubringen. Daher sehe ich keinen großen Veränderungsbedarf. Wir werden unsere Aufgaben wie bisher gewissenhaft weiterführen – und dann wird sich zeigen, an welchen Stellen wir nachjustieren können und müssen.
Sie haben von der gemeinsamen, erfolgreichen Zeit mit Frank Thyroff gesprochen. Auf welche Errungenschaften blicken Sie besonders gerne zurück?
Es ist schwer, einzelne Projekte herauszustellen. Die Gesamtentwicklung der wbg Gruppe war rasant und komplex. Begonnen haben wir vor 12 Jahren mit 230 Mitarbeitenden, jetzt sind es rund 400. Das Wohnungsneubauprogramm, das Modernisierungsprogramm, die Klimazielpfade: all diese Dinge haben sich durch wohl überlegte Entscheidungen gut entwickelt, und das im Kontext einer Unternehmenskultur im Wandel. Ein weiteres Beispiel ist die im Verhältnis zur wbg noch junge WBG KOMMUNAL, die im Auftrag der Stadt kommunale Einrichtungen baut und sich zu einer tragenden Säule in der Unternehmensgruppe entwickelt hat.
Wie haben Sie die gemeinsame Zeit auf persönlicher Ebene wahrgenommen?
Verantwortung macht einsam. Als Geschäftsführer ist man in gewisser Weise auf sich allein gestellt. Deshalb war es immer ein großartiges Gefühl, einen gleichberechtigten Partner an meiner Seite zu wissen. Gemeinsam haben wir schwierige Entscheidungen abgewogen und getroffen. Dieser Part wird mir in Zukunft fehlen.
Welche sichtbaren Veränderungen wird es in naher Zukunft nach innen und nach außen geben?
Ich darf ganz ohne Eitelkeit behaupten: Die wbg’ler kennen mich und können mich einschätzen. Das Vertrauen ist da, gemeinsam den Weg weiterzugehen. Ganz besonderen Wert lege ich darauf, unsere Unternehmenskultur weiter hochzuhalten und weiterzuentwickeln. Der hierarchieübergreifende, wertschätzende Umgang miteinander, ein familienfreundliches Arbeitsumfeld und einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen – dem Schaffen und Erhalten von bezahlbarem und lebenswertem Wohnraum. Wir wissen, wo wir gemeinsam hinwollen. Dazu gehört auch, die positive wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens mit meiner Handschrift fortzuschreiben.
Wie wird Ihnen Letzteres gelingen? Immerhin sind die Zeiten, in denen sich die Immobilienbranche derzeit befindet, nicht gerade einfach: Hohe Baukosten, angespannter Wohnungsmarkt, hohe Bauzinsen und die Erreichung der Klimazielpfade.
Ja, die Rahmenbedingungen vor Corona und Ukraine-Krieg waren komfortabler. Aber jetzt wird uns zum Vorteil, dass wir führzeitig die Weichen gestellt haben für eine sich ändernde Marktsituation. Wir waren und sind auf die erschwerten Bedingungen vorbereitet. Jetzt spüren wir an vielen Stellen eine Konsolidierung – und passen unsere Planung positiv an. Wir stehen also solide da und stellen uns den Herausforderungen der aktuellen Zeit. Was wir jetzt brauchen, ist eine Verlässlichkeit der Förderpolitik. Bauen muss wieder wirtschaftlich vertretbar werden. Nur so wären die Voraussetzungen gegeben, dass wir obendrein den Klimazielen gerecht werden können.
Was heißt das für die Wohnungssuchenden in Nürnberg?
Oberstes Gebot ist Ehrlichkeit. Unter den heutigen Bedingungen ist es nicht (wirtschaftlich) tragbar und leistbar, ausreichend Wohnraum zu schaffen. Aber wir stecken den Kopf nicht in den Sand: Wir arbeiten an Wegen, wie wir dennoch – auf einem geringeren Niveau – unsere Ziele weiterverfolgen. Durch Digitalisierung, das Optimieren interner Prozesse, das Verbessern unserer Typenhäuser und Ausstattungsstandards können wir Aufwendungen reduzieren und auf der anderen Seite wieder in den Wohnungsbau investieren. Ein gutes Beispiel dafür ist das monopol491 in St. Jobst. Die weiteren Bauabschnitte wurden zunächst zurückgestellt auf der Grundlage der damaligen Planung. Jetzt planen wir, unsere Typengebäude dort städtebaulich und architektonisch zu integrieren. Diesen neuen Lösungsweg stimmen wir mit der Stadt(politik) ab und könnten dann, anders als geplant, qualitativ dort weiterbauen.
Ihr inzwischen in den Ruhestand verabschiedeter Kollege hat Ihnen für die Zukunft „viel Gelassenheit in aufregenden Zeiten” gewünscht. Ein guter Rat?
Das trifft es gut auf den Punkt. Ich bin, verglichen mit Frank Thyroff, eher ein emotionaler Typ. Da haben wir uns gut ergänzt. Ich will mich den kommenden Herausforderungen mit einer gewissen „Unaufgeregtheit“ stellen und mit den wbg’lern konkrete Lösungswege erarbeiten. Mein Ehrgeiz und meine Zielstrebigkeit werden aber nicht verloren gehen.
Interview: Philip Hauck