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Wohnungsbau braucht Verlässlichkeit -
Interview mit dem Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, Marcus König

In Zeiten steigender Baukosten, knapper Fördermittel und wachsender Wohnraumnachfrage steht die Stadt Nürnberg vor großen Herausforderungen. Gleichzeitig entstehen neue Wohnungen, werden Schulen und Quartiere weiterentwickelt und soziale Infrastruktur ausgebaut. Wie geht es weiter mit dem Wohnungsbau in Nürnberg? Welche Rolle spielt die wbg als kommunales Wohnungsunternehmen? Und was bringt der angekündigte „Bau-Turbo“? Wir haben bei Oberbürgermeister Marcus König nachgefragt.

Herr Oberbürgermeister, bezahlbares Wohnen ist ein zentrales Thema in vielen Städten. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage auf dem Nürnberger Wohnungsmarkt ein?
Die Lage ist angespannt. Seit Ende 2022 haben sich die Bedingungen am Wohnungsmarkt spürbar verschärft: Die Baukosten sind stark gestiegen, Material und Energie sind teurer geworden, gestiegene Zinsen erschweren die Baufinanzierung und es fehlt an Fachkräften. Das erschwert den Neubau von dringend benötigten Wohnungen. Dazu kommt, dass die Bevölkerung Nürnbergs seit Jahren wächst – im Juni 2025 haben wir mit fast 547.000 Menschen den höchsten Stand unserer Geschichte erreicht. In den nächsten zehn Jahren erwarten wir einen weiteren Zuwachs um mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das heißt: Die Nachfrage nach Wohnungen wird weiter hoch bleiben. Das zeigt sich auch an weiter steigenden Mieten. Besonders für Haushalte mit mittleren und kleineren Einkommen wird es dadurch immer schwieriger, eine passende leistbare Wohnung zu finden.

Die Stadt Nürnberg hat sich das Ziel gesetzt, jährlich mindestens 2.000 neue Wohnungen zu schaffen. Wo stehen wir derzeit bei der Umsetzung dieser Zielmarke – und wie realistisch ist sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen?
Dieses Ziel ist sehr ehrgeizig und im Moment schwer zu erreichen. Im Jahr 2023 konnten wir es mit 2.023 fertiggestellten Wohnungen erstmals erfüllen, aber 2024 lagen wir mit 1.497 Fertigstellungen wieder unter dem Ziel. In den letzten fünf Jahren haben wir im Durchschnitt rund 1.700 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. Vor allem die hohen Baukosten und die schwierigen Finanzierungsbedingungen machen es Bauherren aktuell schwer, neue Projekte aufzusetzen. In den letzten beiden Jahren sind die Baugenehmigungen deshalb stark zurückgegangen. Das macht es unwahrscheinlich, dass das Ziel von 2.000 Wohnungen in den nächsten Jahren erreicht wird. Dennoch gilt: trotz der anhaltenden Herausforderungen in der Immobilienbranche werden aktuell zahlreiche Wohnbauvorhaben in Nürnberg realisiert.

Die Baukosten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen, zugleich wurden Fördermittel auf Bundes- und Landesebene gekürzt oder erschwert zugänglich gemacht. Wie reagiert die Stadt darauf? Gibt es eigene Initiativen, um den geförderten Wohnungsbau zu stützen?
Grundsätzlich muss man sagen, dass nur frei finanzierter Wohnungsbau in ausreichendem Umfang neuen Wohnraum schaffen und damit langfristig zu einer Entspannung der Mietpreise beitragen kann. Gleichzeitig hat die Schaffung von gefördertem Wohnraum für die Stadt höchste Priorität als zentraler Baustein einer aktiven Wohnungspolitik. Damit geplante Projekte trotz aktuell gekürzter Mittel realisiert werden können, stehen wir derzeit im engen Austausch mit den betroffenen Investoren, um ergänzende Angebote wie den preisgedämpften Mietwohnungsbau zu entwickeln. Damit schaffen wir langfristig verfügbaren Mietwohnraum für mittlere Einkommen zu attraktiven Mieten insbesondere bei Projekten, die mangels Fördermittel nicht gefördert werden können. Daneben setzen wir auch für die nächsten Jahre auf die bewährte Kooperation mit dem Freistaat und unseren langjährigen Partnern aus der Wohnungswirtschaft.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Rolle der wbg Nürnberg als städtisches Wohnungsunternehmen – gerade in Krisenzeiten?
Die wbg ist für Nürnberg unverzichtbar. Sie ist der größte Partner im geförderten Wohnungsbau, rund die Hälfte aller geförderten Wohnungen in Nürnberg ist in ihrem Bestand. Insgesamt hat die wbg fast 19.000 eigene Mietwohnungen, davon rund 9.000 geförderte. Damit gibt sie mehr als 40.000 Menschen ein Zuhause – also jedem zehnten Nürnberger. Die wbg ist ein verlässlicher Partner, sie sorgt für stabile Mieten, für eine gute soziale Durchmischung in den Stadtteilen und trägt zur nachhaltigen Entwicklung ganzer Quartiere bei. Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich, wie wichtig es ist, dass wir mit der wbg ein starkes kommunales Wohnungsunternehmen haben, das bezahlbares Wohnen in Nürnberg garantiert.

Die wbg realisiert zunehmend Wohnungen mit einkommensorientierter Förderung (EOF), zuletzt auch in Großreuth bei Schweinau. Welche Rolle spielt dieses Förderinstrument aus Sicht der Stadt – und wo sehen Sie noch Potenzial?
Die einkommensorientierte Förderung ist für Nürnberg enorm wichtig. Etwa 60 Prozent der Nürnberger Bevölkerung könnte diese Förderung in Anspruch nehmen, viele wissen das gar nicht. Für eine Familie mit zwei Kindern liegt die Einkommensgrenze beispielsweise bei rund 103.000 Euro brutto im Jahr. Das heißt: Auch die Mittelschicht profitiert davon. Außerdem sind die Wohnungen barrierefrei, was für ältere Menschen und auch Familien immer wichtiger wird. Derzeit sind fast 900 solcher Wohnungen in Planung oder im Bau.

Die Bundesregierung hat einen „Bau-Turbo“ angekündigt. Welche Erwartungen verbinden Sie damit konkret für Nürnberg?
Wir erwarten, dass Planungen schneller genehmigt werden können und dass es weniger Bürokratie gibt. Wichtig ist, dass die neuen Regelungen auch für kommunale und gemeinwohlorientierte Täger praktikabel sind. Wenn Typengenehmigungen und serielle Bauweisen leichter möglich werden, kann das helfen, Projekte schneller und günstiger umzusetzen. Die Stadt Nürnberg ist bereit, solche neuen Wege konstruktiv zu gehen. 

Was wünschen Sie sich von Bund und Land, um den sozialen Wohnungsbau vor Ort dauerhaft zu sichern und weiterzuentwickeln?
Am wichtigsten ist Verlässlichkeit. Wir brauchen langfristige Förderprogramme, die nicht jedes Jahr gekürzt oder verändert werden. Außerdem muss die Förderung deutlich ausgeweitet werden, gerade auch im Hinblick auf den klimafreundlichen Umbau des Wohnungsbestandes. Im aktuell wirtschaftlich schwierigen Umfeld ist der soziale Wohnungsbau eine wichtige Entlastung und muss konsequent fortgeführt werden.

Die Stadt wächst – zugleich verändern sich die Anforderungen an unsere Quartiere. Welche stadtplanerischen Leitlinien verfolgen Sie, um lebenswerte, durchmischte und zukunftsfähige Stadtteile zu schaffen?
Das ist unterschiedlich. In bestehenden Quartieren, wie z. B. Langwasser, gilt es, behutsam vorzugehen – zum Beispiel durch Aufstockungen oder punktuelle Neubauten. Das sollte möglichst nicht zulasten von Grünflächen gehen und sollte auch nicht zu Verdrängungen führen. Gleichzeitig müssen bauliche Veränderungen dafür genutzt werden, vorhandene Defizite zu beseitigen, zum Beispiel indem soziale Treffpunkte direkt mitgeplant werden. Bei neuen Baugebieten, wie z. B. in Lichtenreuth, ist die Ausgangslage oft eine andere. Platz für große Parks und Grünflächen kann ebenso von Anfang an eingeplant werden wie für soziale Einrichtungen, Schulen und Begegnungsorte. Die nötigen Verkehrsangebote können ebenfalls bedarfsgerecht berücksichtigt werden. Aber egal, ob neuer Stadtteil oder Nachverdichtung: Klima- und Hitzeschutz und Klimaanpassung gehören genauso dazu wie eine umweltverträgliche, menschengerechte Mobilität, soziale Ausgewogenheit oder auch eine finanzielle Stabilität. Und natürlich binden wir die Bewohner frühzeitig ein, damit Orte entstehen, die wirklich ihren Bedürfnissen entsprechen und langfristig funktionieren. Für all das braucht es mitunter Kompromissbereitschaft, ganz sicher aber einen langen Atem.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Welche Bedeutung hat für Sie das Thema Wohnen – auch jenseits der Politik?
Das ist auch für mich ein emotionales Thema: Von der ersten Wohnung bis hin zum Heim für meine Familie – die Wohnung ist Heimat, Rückzugsort, ein besonders privater Ort, ein geschützter Raum. Auch wenn ich viel unterwegs bin, ist das Nach-Hause-Kommen immer mit dem Gefühl verbunden ‚Hier gehöre ich hin‘. Und weil ich möchte, dass möglichst alle Nürnbergerinnen und Nürnberger das fühlen und sagen können, kämpfe ich für mehr Wohnraum. Die wbg ist eine verlässliche Stütze, wenn es darum geht, den Menschen ein gutes Zuhause zu bieten. 

Interview: Philip Hauck

Im Rahmen seiner Hospitation hat Oberbürgermeister Marcus König sich natürlich auch mit dem Thema „bezahlbares Wohnen“ beschäftigt.

Fotos: Julian Wachtler